Frauke Naumann
* 1964 IN GOSLAR
DER LIEBE WEGEN IN DIE DDR
Frauke Naumann und ihr Cousin Kai kennen sich seit Kindertagen. Auf einer Familienfeier 1983 verlieben sich die beiden. Doch eine Beziehung ist schwierig. Frauke lebt in Goslar in Niedersachsen, Kai ist DDR-Bürger und leistet seinen Wehrdienst bei der Nationalen Volksarmee (NVA). Da Armeeangehörige in der DDR keine Westkontakte haben dürfen, sind Treffen nur im Geheimen möglich.
Kai ist vom politischen System der DDR überzeugt und möchte nicht in der Bundesrepublik leben. Im März 1986 siedelt deshalb Frauke Naumann in die DDR über. Die Hochzeit soll im Mai stattfinden. Doch der Hochzeitstermin muss verschoben werden, weil Naumann auch nach sechs Wochen im Zentralen Aufnahmeheim (ZAH) Röntgental und einigen Wochen in Güstrow nicht die DDR-Staatsbürgerschaft besitzt. Die erste Zeit in der DDR ist für Frauke Naumann ernüchternd und schwierig. Sie hat Heimweh und vermisst ihre Freunde. Sie arbeitet als Bürokauffrau, wird jedoch von ihren Kollegen geschnitten: Sie stehen in der Kantine auf, wenn sie sich zu ihnen setzen will, kaum jemand redet mit ihr. Kai kann die Schwierigkeiten nicht nachvollziehen. Nach einem Jahr ist die Ehe der beiden am Ende.
Sie glauben doch nicht im Ernst, dass Sie am 17. Mai schon heiraten können. Das können Sie vergessen. Da werden Sie noch im Zentralen Aufnahmeheim sein!
Frauke Naumann muss sich neu orientieren. Sie ist begeisterte Reiterin und findet 1987 nach langen Bemühungen eine Ausbildungsstelle als Facharbeiterin für Pferdezucht. Die Arbeit ist hart, aber sie lebt sich in der DDR ein und schließt Freundschaften. Mit dem Fall der Mauer 1989 steht sie vor der Wahl, in Mecklenburg zu bleiben oder zurück nach Goslar zu gehen. Sie entscheidet sich schließlich für ihre neue Heimat, mag die Landschaft und die Menschen um sie herum. Heute ist Frauke Naumann Herausgeberin eines Stadtmagazins und lebt weiterhin in Güstrow.
DURCHLEUCHTET IM ZAH RÖNTGENTAL
Am 3. März 1986 meldet sich Frauke Naumann im ZAH Röntgental. Begleitet wird sie von ihrem Verlobten Kai. Sofort werden die beiden getrennt, können sich nicht voneinander verabschieden. Naumann kommt auf die Quarantänestation, muss sich vollständig entkleiden, wird untersucht. Erst 48 Stunden später lässt man sie zu den anderen Aufnahmesuchenden. Anfangs traut sie sich nicht, mit ihrer Zimmernachbarin Edith zu sprechen. Jeden Tag wird sie um halb sieben geweckt und nach dem Frühstück meist in den Verhörraum zitiert. Immer wieder stellt man ihr die gleichen Fragen. Alle Handlungen im Aufnahmeheim zielen auf Demütigung. Namen sind tabu, aufgerufen wird oft nur per Fingerzeig. Die Erpressungsmethoden der Stasi sind subtil: Man zwingt sie, mit einer ihrer Cousinen zu sprechen und diese von der geplanten Ausreise abzubringen. Nach ihrer Entlassung wird sie jahrelang von einem Mitarbeiter der Staatssicherheit überwacht. Regelmäßig befragt er sie in ihrem Haus über ihr Leben in der DDR und ihre Westkontakte.