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PIERRE BOOM (GEB. GUILLAUME)

* 1957 IN FRANKFURT AM MAIN
Pierre Guillaume 1974. Lange will Pierre Guillaume die Spionagetätigkeit seiner Eltern nicht wahrhaben. Viele Details erfährt er erst aus der Presse. Der Vertrauensbruch durch seine Eltern beschäftigt ihn viele Jahre.
Pierre Guillaume 1974. Lange will Pierre Guillaume die Spionagetätigkeit seiner Eltern nicht wahrhaben. Viele Details erfährt er erst aus der Presse. Der Vertrauensbruch durch seine Eltern beschäftigt ihn viele Jahre.

EIN LEBEN ZWISCHEN OST UND WEST

Am 24. April 1974 wird Pierre Guillaume morgens um 6:32 Uhr von Beamten des Bundeskriminalamtes geweckt, die die Wohnung seiner Familie in Bad Godesberg stürmen. Seine Eltern Günter und Christel Guillaume werden verhaftet. Von deren Spionage für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) erfährt er erst in den nächsten Tagen. Die DDR-Behörden üben auf den 17-Jährigen großen Druck aus: Er soll in die DDR übersiedeln. In der Hoffnung auf einen baldigen Agentenaustausch entscheidet sich Pierre Guillaume für die Übersiedlung. Seine Eltern werden jedoch erst 1981 aus der bundesdeutschen Haft entlassen. In den starren Strukturen der DDR findet sich Pierre Guillaume nur schwer zurecht. Er vermisst seine Eltern. Außerdem stören ihn die fehlende Meinungsfreiheit und die „zwei Gesichter“ vieler DDR-Bürger und des Staates.

 

Letztendlich war ich auch neugierig auf das Land, für das meine Eltern spioniert haben. Und ich wusste, ich kann nur in DDR wieder mit ihnen zusammenleben.

Das MfS betreut Pierre Guillaume intensiv, behandelt ihn privilegiert und versucht sein Leben zu steuern. Einige Jahre ist er orientierungslos, hin- und hergerissen zwischen Verweigern und Sichfügen. Anfang der 1980er Jahre löst er sich aus der Umklammerung des MfS. Pierre Guillaume wird Fotoreporter der Neuen Berliner Illustrierten (NBI). Dennoch wird er in der DDR nicht heimisch. Gemeinsam mit seiner Frau Iris und seinen zwei Kindern entschließt er sich deshalb 1988 zur Ausreise. Der Antrag wird bewilligt – mit der Auflage, dass Pierre Guillaume den Mädchennamen seiner Mutter annehmen muss: Boom. Pierre Boom lebt als Journalist und Fotoreporter auf Sylt.

DIE AFFÄRE GUILLAUME

Christel und Günter Guillaume werden im Mai 1956 als Spione der Stasi nach Frankfurt am Main geschickt. Sie sollen in der SPD Karriere machen. Christel Guillaume gelingt der Einstieg rasch: Sie wird 1959 Sekretärin im Parteibüro Hessen-Süd und steigt 1964 zur Büroleiterin beim Abgeordneten Willi Birkelbach auf, der im gleichen Jahr zum Chef der Staatskanzlei in Hessen ernannt wird. Günter Guillaume ist ab 1964 hauptamtlich als Parteifunktionär für die SPD tätig und arbeitet ab 1970 im Bundeskanzleramt. Anfang 1973 wird er einer der Referenten des Bundeskanzlers Willy Brandt.

Im April 1974 wird das Ehepaar Guillaume enttarnt und verhaftet, knapp zwei Wochen später übernimmt Brandt die politische Verantwortung und tritt als Regierungschef zurück. Der Landesverratsprozess endet mit einer Verurteilung zu acht Jahren Haft für Christel Guillaume und 13 Jahren für ihren Ehemann. 1981 kehren beide im Rahmen eines Agentenaustauschs zurück in die DDR.