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Rudi Goguel

* 1908 IN STRASSBURG †1976 IN OST-BERLIN
Rudi Goguel Ende der 1950er Jahre. Goguel besitzt keinen Hochschulabschluss. Dennoch promoviert er 1964 – mit einer ministeriellen Ausnahmegenehmigung – zur Beteiligung von Ostforschern an der NS-Besatzungspolitik in Osteuropa und den personellen Kontinuitäten in der Bundesrepublik.
Rudi Goguel Ende der 1950er Jahre. Goguel besitzt keinen Hochschulabschluss. Dennoch promoviert er 1964 – mit einer ministeriellen Ausnahmegenehmigung – zur Beteiligung von Ostforschern an der NS-Besatzungspolitik in Osteuropa und den personellen Kontinuitäten in der Bundesrepublik.

VERFOLGT IM NATIONALSOZIALISMUS, GEFLOHEN AUS DER BUNDESREPUBLIK

Als KPD-Mitglied ist der kaufmännische Angestellte Rudi Goguel zwischen 1933 und 1945 – bis auf wenige Monate in Freiheit – in Zuchthäusern und Konzentrationslagern (KZ) inhaftiert. Während seiner Zeit im KZ Börgermoor 1933 komponiert Goguel, der gerne Musik studiert hätte, das später weltbekannte Lied von den Moorsoldaten. Kurz vor Kriegsende überlebt er die Bombardierung der „Cap Arcona“ durch die Alliierten, die das Schiff, auf dem sich mehrere tausend KZ-Häftlinge befinden, für einen Truppentransport halten.

Nach seiner Befreiung geht Rudi Goguel nach Konstanz und heiratet seine Verlobte Lydia Bleicher. Er engagiert sich in der KPD-Südbaden, ist an der Entnazifizierung der badischen Wirtschaft beteiligt und arbeitet als Redakteur für den Südkurier. Nach der Bundestagswahl 1949, bei der er für die KPD kandidiert, verabschiedet seine Parteigruppe intern eine kritische Wahlanalyse. Sie stellt sich damit gegen die Parteilinie – in den Anfangsjahren des Kalten Krieges eine ernsthafte Provokation, denn die Parteileitung duldet keinen Widerspruch. An Goguel wird ein Exempel statuiert: Er verliert alle Parteiämter und kann sich nur durch eine öffentliche Selbstkritik in der KPD halten.

Der Genosse Goguel (...) würde nach ärztlichem Gutachten wahrscheinlich eine längere Haft – mit der zu rechnen ist – nicht mehr überstehen.

Dennoch wird er 1950 stellvertretender Leiter des Parteiverlags „Freies Volk“ in Düsseldorf. Im Vorfeld des KPD-Parteiverbotes wird die Vorbereitung von Hoch- und Landesverrat in der Bundesrepublik zur Straftat. Auf dieser Grundlage wird der Verlagsleiter Erich Loch verhaftet. Auch Rudi Goguel droht die Festnahme. Gesundheitlich stark angeschlagen, taucht er zunächst bei Freunden unter, bevor er von der KPD Ende 1952 zur Kur in die DDR geschickt wird.

QUERDENKER UND PARTEISOLDAT

Während Rudi Goguel in der DDR fast ein Jahr lang wegen der körperlichen Folgen der Nazi-Haft in medizinischer Behandlung ist, wird in der Bundesrepublik nach ihm wegen Hochverrat gefahndet. Erst im September 1953 steht fest, dass er in der DDR bleiben darf. Lydia und die gemeinsamen Kinder kommen nach. Die Familie erhält eine Wohnung in Ost-Berlin. Goguel wird am Deutschen Institut für Zeitgeschichte (DIZ) angestellt.

Auch in der DDR eckt er immer wieder an. Bis 1959 leitet Goguel die Abteilung Publizistik am DIZ. Von seinem Vorgänger wird er der Agententätigkeit beschuldigt – ein Vorwurf, der die Todesstrafe bedeuten kann. Weitere Kollegen denunzieren Goguel, sie werfen ihm unter anderem „objektivistische Tendenzen“, also ein Abweichen von der Parteilinie, vor. 1957 muss sich Goguel – nachdem er intern im DIZ erneut von der Sichtweise der SED abweicht – von seinem „parteischädigenden“ Verhalten in Form einer Selbstkritik distanzieren. Dennoch wird er 1960 mit dem Aufbau der Abteilung „Geschichte der imperialistischen Ostforschung“ an der Humboldt-Universität zu Berlin betraut.

1960 verpflichtet sich Rudi Goguel als Geheimer Informator (GI). Seine Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) ist ein Drahtseilakt: Bemüht, niemandem persönlich zu schaden, nutzt er die Strukturen des MfS für seine Forschung. Er berichtet über seine Arbeit am Institut und führt Informanten in der Bundesrepublik, die ihm Bibliographien erstellen und Bücher besorgen. Vom MfS erhält er finanzielle Unterstützung für Forschungsreisen. Dabei wird auch Rudi Goguel vom MfS überwacht. 1968 wird er gegen seinen Willen in den Ruhestand versetzt.