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Susanne Albrecht

* 1951 IN HAMBURG
Personalbogen von Susanne Albrecht, nun Ingrid Jäger, in den Unterlagen des MfS. Ihr Neustart im Sozialismus bedeutet ein Leben unter Beobachtung: Albrecht wird vom MfS unter anderem als IM „Ernst Berger“ geführt, gleichzeitig selbst von Inoffiziellen Mitarbeitern überwacht.
Personalbogen von Susanne Albrecht, nun Ingrid Jäger, in den Unterlagen des MfS. Ihr Neustart im Sozialismus bedeutet ein Leben unter Beobachtung: Albrecht wird vom MfS unter anderem als IM „Ernst Berger“ geführt, gleichzeitig selbst von Inoffiziellen Mitarbeitern überwacht.

VON DER RAF-TERRORISTIN ZUR DDR-BÜRGERIN

Aufgewachsen in einer wohlhabenden Hamburger Anwaltsfamilie engagiert sich Susanne Albrecht schon als Schülerin und später als Lehramtsstudentin in der linken Szene. Sie kommt in Kontakt zu Mitgliedern der terroristischen Roten Armee Fraktion (RAF). 1977 gehört sie zum RAF-Kommando, das den Dresdner-Bank-Chef Jürgen Ponto erschießt, statt ihn wie geplant zu entführen. Albrecht, deren Vater gut mit Ponto befreundet ist, dient bei der Aktion als „Türöffnerin“.

Zunächst sah ich mich als Revolutionärin im Widerspruch zur DDR.

Der Mord an Jürgen Ponto hinterlässt Spuren bei Susanne Albrecht. Führende Köpfe der RAF sehen sie als „Fehler“. Albrecht, die inzwischen steckbrieflich gesucht wird, bleibt dennoch in der RAF, auch um einer Verhaftung zu entgehen. Nach dem gescheiterten Anschlag auf den Nato-General Alexander Haig im Juni 1979 möchte sie aussteigen. Während ihr das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) 1980 eine neue Identität in der DDR verschafft, wird Albrecht von den westdeutschen Ermittlern in Syrien oder Libyen vermutet. Stattdessen ist sie nun DDR-Bürgerin und lebt als „Ingrid Jäger“, nach ihrer Heirat als „Ingrid Becker“ in Cottbus, Köthen, Ost-Berlin und schließlich in der Nähe von Moskau. Auf diese Weise entgeht sie bis zum Juni 1990 der bundesdeutschen Strafverfolgung.

VERSTECKT VON DER STASI

Das MfS organisiert mit großem Aufwand und unter ständiger Überwachung ein neues Leben und eine neue Identität für Susanne Albrecht. Als Ingrid Jäger arbeitet sie – angeblich in Madrid geboren – zunächst als Englischübersetzerin in Cottbus. 1983 heiratet sie einen Physiker, der ihre wahre Identität nicht kennt und vor der Heirat vom MfS überprüft wird. „Mein erster eigenständiger Entschluss war die Gründung meiner Familie.

Da hat mir niemand reingeredet“, gibt Susanne Albrecht, nun Ingrid Becker, später zu Protokoll. 1984 kommt ihr Sohn zur Welt. „Ich muss immer wieder aufpassen, nicht zu vergessen, wer ich bin, damit es nicht zu Fehlern kommt. Dafür möchte ich auch unser Familienleben harmonischer gestalten“, notiert sie im selben Jahr. Ab 1985 unterrichtet sie in Köthen Deutsch für Ausländer.

Als zwei Kollegen Albrecht 1986 in einer Sendung im westdeutschen Fernsehen erkennen, veranlasst die Stasi rasch einen Umzug nach Ost-Berlin. Der Ehemann kommt nur am Wochenende zu Besuch. Ihm vermittelt das MfS ab Februar 1988 einen Forschungsaufenthalt in der Nähe von Moskau. Albrecht und der gemeinsame Sohn folgen ihm. Ein MfS-Mitarbeiter vermerkt in einer internen Notiz den Erfolg der Legende: „Der Ehemann hat zum terroristischen Hintergrund von ‚Ingrid‘ keine Kenntnisse.“ Im Sommer 1990 wird Susanne Albrecht enttarnt und verhaftet. Ihre Familie erfährt erst jetzt ihre wahre Identität.