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Propaganda

Auf einer Pressekonferenz am 19. Juli 1960 präsentiert Walter Ulbricht die angeblichen Angriffspläne der Bundeswehr und der NATO gegenüber der DDR und den sozialistischen Staaten Europas. Dabei stützt er sich unter anderem auf die Aussagen der beiden ehemaligen Bundeswehroffiziere Adam von Gliga und Bruno Winzer.
Auf einer Pressekonferenz am 19. Juli 1960 präsentiert Walter Ulbricht die angeblichen Angriffspläne der Bundeswehr und der NATO gegenüber der DDR und den sozialistischen Staaten Europas. Dabei stützt er sich unter anderem auf die Aussagen der beiden ehemaligen Bundeswehroffiziere Adam von Gliga und Bruno Winzer.

PROPAGANDASCHLACHTEN IM KALTEN KRIEG

Für die Bundesrepublik ist die Massenflucht aus der DDR ein Zeichen für Diktatur und Unfreiheit in Ostdeutschland und für die Überlegenheit des eigenen politischen und wirtschaftlichen Systems. Die DDR wiederum sieht in der wachsenden Zahl der West-Ost-Übersiedler in den 1950er Jahren einen Beleg für die Krise des Kapitalismus und für die Attraktivität des sozialistischen Gesellschaftsmodells. Häufig berichten die staatlich gelenkten DDR-Medien in diesen Jahren über Zuwanderer und Rückkehrer aus der Bundesrepublik – vor allem mit dem Ziel, die eigene Bevölkerung von der Flucht in den Westen abzuhalten. Sie warnen vor unhaltbaren Zuständen in den Flüchtlingslagern, vor wirtschaftlicher Not und Ausbeutung, schlechten Wohnverhältnissen und sozialem Abstieg. Flüchtlinge werden entweder als Verräter oder als durch westliche Propaganda Verblendete dargestellt. Zugleich versucht die DDR, bundesdeutsche Akademiker und andere Fachkräfte gezielt anzuwerben, um die Verluste durch die Ost-West-Migration wenigstens ein wenig auszugleichen.

Die Bundesregierung betont, die Migration von West nach Ost sei keine Flucht, niemand werde an der Ausreise gehindert. Die Gründe für die Übersiedlung in die DDR seien ganz überwiegend persönlicher und nicht politischer Natur. Durch Pressematerial, Interviews und Broschüren versucht sie, die Medien und die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Während die DDR darum bemüht ist, den Umfang der West- Ost-Migration als groß und immer größer werdend darzustellen, bezeichnet die Bundesregierung die ostdeutschen Zahlen als „maßlos übertrieben“.

Ohne ersichtlichen Grund bricht im Oktober 1966 die DDR-Propaganda über Rück- und Zuwanderer abrupt ab. Für die Bundesrepublik spielt die nunmehr verschwindend geringe Zahl der West-Ost-Migranten seit dem Mauerbau 1961 keine Rolle mehr.

RÜCKKEHRER-KONFERENZEN

Verschiedene DDR-Behörden und auch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) sammeln systematisch Aussagen von Übersiedlern aus der Bundesrepublik, um sie propagandistisch zu verwerten. Besonders in der zweiten Hälfte der 1950er und zu Beginn der 1960er Jahre werden an zahlreichen Orten in der DDR sogenannte Rückkehrer-Konferenzen durchgeführt. Die Rednerinnen und Redner sind handverlesen. Neben den gewünschten Aussagen über das Elend der bundesdeutschen Gesellschaft und die Überlegenheit des Sozialismus werden auf diesen Konferenzen auch Probleme thematisiert: die Feindseligkeit, die den Übersiedlern von Seiten der DDR-Bevölkerung entgegenschlägt, die katastrophalen Wohnverhältnisse, die schlechten Arbeitsbedingungen und das Nichteinhalten von Zusagen.

Die mediale Berichterstattung über diese von der Nationalen Front organisierten Konferenzen ist flächendeckend, das Ziel klar definiert: „Diese Konferenzen sollen die Aufgabe haben, durch das Auftreten von Zuwanderern und ehemaligen Republikflüchtigen der Abwerbung von Bürgern der DDR entgegenzuwirken, Argumente zur unterschiedlichen Entwicklung in beiden Teilen Deutschlands zu liefern, die Bevölkerung über die Hintergründe und Folgen der Einführung der allgemeinen Wehrpflicht in Westdeutschland aufzuklären und zur weiteren Demokratisierung in unserem Arbeiter- und Bauernstaat beizutragen.“

„ÜBER 20.000 EHEMALIGE WOLLEN ZURÜCK“

Mit der Schlagzeile „Über 20.000 Ehemalige wollen zurück“ im Neuen Deutschland (ND) vom März 1985 erlebt das Thema ein kurzes Propaganda-Comeback. Die Behauptung, dass in der Bundesrepublik tausende ehemalige DDR-Bürger leben, die unzufrieden sind und zurückwollen, löst unter den Menschen im Osten großes Erstaunen aus. Einer stichprobenartigen Überprüfung durch die ZDF-Sendung Kennzeichen D vom 13. März 1985 hält sie nicht stand. Die Mehrheit der mit Namen und Adresse Genannten will nicht in die DDR zurückkehren. Einige geben an, mit dem Gedanken gespielt zu haben. Andere berichten, dass ihr Antrag auf Rückkehr von den DDR-Behörden abgelehnt worden sei.

Nur zwei Tage nach dem Artikel veröffentlicht das ND Leserbriefe, die auf die Meldung reagieren. Der Tenor ist eindeutig: Wer die DDR verlassen habe, müsse die Konsequenzen tragen, eine Rückkehr sei mit wenigen Ausnahmen ausgeschlossen. Damit ist die Stoßrichtung des Artikels klar: Niemand soll leichtfertig einen Ausreiseantrag stellen.